Ich wollte schon immer eine längere Zeit im Ausland leben. Zu Beginn war es vor allem das Reisen, was mich faszinierte. Doch je älter ich wurde, desto mehr wurde mir klar, dass ich nicht einfach nur des Abenteuers und des „Sehens“ anderer Länder wegen das Reisen liebe, sondern auch der kulturellen Vielfalt wegen. Ich dachte lange work&travel sei das Richtige für mich. Doch mir wurde klar, dass mich eine derartige Reise nur oberflächlich an eine Kultur heranführt.
Wenn ich wirklich lange Zeit ins Ausland gehe, möchte ich dort erstens das Land und seine Menschen kennenlernen, zweitens mich - soweit es geht - in die für mich neue Gesellschaft und Kultur einleben sowie integrieren und drittens, mich persönlich entwickeln und einen intellektuellen Gewinn aus dieser Zeit schlagen. Dass ich dies unentgeltlich tun werde, stand nie zur Debatte, denn solange ich etwas tue, von dem ich persönlich überzeugt bin, dass es andere und mich weiterbringt, ist diese Erfahrung nicht mit Geld aufzuwiegen.
Ich denke weiterhin, dass interkultureller Austausch sowie Bildung Fundamente des internationalen, friedlichen Miteinanders sind. Mein bisheriges Leben habe ich in Deutschland verbracht, doch ich denke, gerade in unserer globalisierten Welt des 21. Jahrhunderts ist Völkerverständigung so wichtig wie nie zuvor. Viele Menschen und Teile der Welt sind vernetzt. Das heißt aber nicht, dass alles vereinfacht wird. Im Gegenteil, die Welt ist komplexer als je zuvor. Und ich denke, diese Komplexität, diese Vielfalt wird weiter und weiter zunehmen. Ich bin der Meinung, ein Großteil der Konflikte zwischen Völkern und Nationen dieser Erde sind mangelndem Verständnis geschuldet. Sprache beispielsweise ist der Grundstein der Völkerverständigung, des Miteinanders sämtlicher Gesellschaften und Kulturkreise, durch sie ist eine Konfliktlösung häufig erst möglich.
Deswegen ist es gerade die Aufgabe junger Menschen jeglicher Herkunft, denen die Zukunft dieser Welt gehört und auch die Verantwortung für diese obliegt, den Dialog mit anderen Kulturen zu suchen, Vorurteile zu revidieren, verkrustete Strukturen aufzubrechen und ein internationales Miteinander zu gestalten.
Auch ich möchte meine Augen vor den Problemen dieser Welt nicht verschließen und Verantwortung übernehmen und ich denke, ich kann meinen, vielleicht geringen, aber dennoch wichtigen Beitrag dazu leisten.
Ich selbst als Person möchte während meines Auslandsaufenthaltes reifen. Es gibt wenige Länder, die einen derart hohen Lebensstandard aufweisen wie Deutschland. Und gerade meine Generation ist, so meine Meinung, in gewisser Weise aufgrund dieses Wohlstands verwöhnt - ich nehme mich da selbst nicht heraus. Deswegen denke ich, ich kann mich an Orten auf dieser Welt, an denen andere Umstände herrschen, an denen beispielsweise das Gewaltpotential höher ist als in meiner Heimat, neu orientieren, neue Wertmaßstäbe setzen und viele Dinge reflektierter betrachten. Ich lerne die Sichtweisen anderer Kulturkreise kennen, Sichtweisen, die mir neue Blickwinkel eröffnen auf unsere Gesellschaft und auf mich selbst. Ich kann Lebensgewohnheiten kennenlernen und bin gezwungen, mich in diese zu integrieren, sodass ich Gewohntes und Etabliertes womöglich neu überdenke. Einer der wichtigsten Aspekte ist jedoch, dass ich vieles, was ich aufgrund meiner beispielsweise bildungstechnisch privilegierten Herkunft kann und weiß, an Menschen weitergeben kann, die womöglich genau das brauchen, um erfolgreich zu sein. Ich möchte mein Wissen weitergeben und hoffe im Gegenzug Menschen kennenlernen zu dürfen, die mich mit ihrem Wissen und ihrer Art prägen.
Warum gerade Israel? Ich möchte geschichtliche Hintergründe kennen- und verstehen lernen. Ich denke aus der Vergangenheit heraus lässt sich vieles erklären und vor allem viel für die Zukunft schließen. Der Nahe Osten ist ein Paradebeispiel hierfür. Aufgrund komplexer geschichtlicher Zusammenhänge in Bezug auf Religion und Gesellschaft sowie nationaler und internationaler, meist auf Wirtschaft fokussierter, Politik, bildeten sich die heutigen Strukturen dieser Region. Israel ist der einzige Staat der Erde in dem die Bevölkerungsmehrheit dem Judentum angehört, weiterhin stellt es einen „Schmelztiegel“ der drei Religionen Judentum, Christentum und Islam dar, welche hier in vielerlei Hinsicht aufeinandertreffen. Die gesellschaftliche und religiöse Situation in Israel ist weltweit eine Einzigartige. Und gerade dies fasziniert mich seit Längerem. Im Laufe der Zeit habe ich ein ausgeprägtes Interesse für diese Region der Erde entwickelt und es wäre mir ein großes Anliegen, vor Ort eigene Erfahrungen zu sammeln.
Weiterhin ist die israelisch-deutsche Beziehung aufgrund der Vergangenheit eine äußerst heikle. Ich sehe mich deshalb in der Pflicht, gerade diesem Land und seinen Menschen einen Dienst zu erweisen. Aufgrund meines geschichtlichen Interesses, auch in Bezug auf mein Heimatland, möchte ich außerdem auch andere Sichtweisen kennenlernen, um die israelisch-deutsche Vergangenheit und Beziehung zu verstehen. Ich hoffe, dass ich auch bei meinem späteren Studium von einer solchen Erfahrung profitieren kann.